Zuverlässige drahtlose Kommunikation in der Industrie

Um das Ziel einer hoch flexiblen, komplexen, arbeitsteiligen und geografisch verteilten Produktion zu realisieren, sind neue Wege der Vernetzung dieser Industrieanlagen notwendig. Mit Hilfe innovativer drahtloser Funktechnologien soll es ermöglicht werden, Industrieanlagen schnell und kostengünstig zu modernisieren.

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© thinkstock/KEMAL BA?

Auszüge aus der Bekanntmachung „Zuverlässige drahtlose Kommunikation in der Industrie“

Zuwendungszweck

Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zusammen. Kennzeichen der zukünftigen Form der Industrieproduktion sind die starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten (Großserien-) Produktion, die weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse und die Kopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleitungen, die in so genannten hybriden Produkten mündet. Die deutsche Industrie hat jetzt die Chance, die vierte industrielle Revolution aktiv mitzugestalten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Zweck dieser Fördermaßnahme ist es, neuartige, innovative und leistungsfähige Funktechnologien auf dem Weg zu Industrie 4.0 zu erforschen.

Um das Ziel einer hoch flexiblen, komplexen, arbeitsteiligen und geografisch verteilten Produktion zu realisieren, sind neue Wege der Vernetzung dieser Industrieanlagen notwendig. Mit Hilfe innovativer drahtloser Funktechnologien soll es ermöglicht werden, Industrieanlagen schnell und kostengünstig zu modernisieren. Die Einschränkungen heutiger kabelgebundener Installationen können so überwunden und die Effizienz und Flexibilität von Steuerungen und Regelungsprozessen gesteigert werden. Dabei haben drahtlose Übertragungssysteme Anforderungen an Übertragungsraten und Reaktionszeiten zu erfüllen, die mit heutigen Systemen wie ZigBee, Bluetooth, WiFi, WirelessHART etc. nicht erreichbar, für den Betrieb der Industrieanlagen aber unverzichtbar sind.

Die Leistungsfähigkeit dieser Funktechnologien muss dabei mindestens der von drahtgebundenen Systemen wie z. B. CAN, Profibus oder Profinet entsprechen. In Industrieanlagen können komplex vernetzte Regelungsanlagen durch drahtlose Kommunikation wesentlich flexibler gestaltet werden, um die Individualisierung der Produkte und die Resilienz der Produktion zu ermöglichen. Hierzu sind energieeffiziente, hochverfügbare Funktechnologien mit extrem geringer Latenz, die ein Echtzeitverhalten ermöglichen, notwendig. Neben den vernetzten Regelungsanlagen kann die Unterstützung durch „Augmented Reality“ den Mitarbeitern einen flexibleren und effizienteren Umgang mit den vorhandenen Ressourcen ermöglichen. Dazu sind ebenfalls neuartige Funktechnologien mit extrem geringen Latenzen notwendig, wobei zusätzlich hohe Datenraten unterstützt werden müssen, um haptische Mensch-Maschine-Schnittstellen zu ermöglichen.

Gegenstand der Förderung

Gegenstand der Förderung bilden innovative drahtlose Kommunikationssysteme im Bereich der echtzeitfähigen, hochverfügbaren und sicheren Vernetzung. Sie sind der Schlüssel zur Erschließung neuer Anwendungsfelder in der Industrie. Zu erforschen sind Lösungen, die auf die Sicherheit der Nutzer, auf Effizienz und Flexibilität industrieller Anwendungen zielen. Die neuartigen Funktechnologien sollen auf mehrere Anwendungsfelder übertragbar sein, um einen möglichst großen Markt abdecken zu können.

Durch zunehmend verteilte oder komplexe Industrieanlagen kommunizieren immer mehr Sensoren, Maschinen, Steuer- und Regeleinheiten etc. miteinander. Heutzutage werden moderne drahtgebundene Feldbussysteme zur Kommunikation eingesetzt. Um hier die neuen Anforderungen an Mobilität, Flexibilität und Wartbarkeit zu erfüllen, müssen zukünftige Funktechnologien möglichst eine vergleichbare Leistungsfähigkeit bei der Datenübertragung aufweisen. Je nach Anwendungsgebiet ergibt sich hieraus eine Vielzahl von Anforderungen, die nicht nur technisch, sondern auch im Gesamtkontext einer umsetzbaren Lösung betrachtet werden müssen. Diese lassen sich jeweils in Anforderungsprofilen für neuartige Funktechnologien zusammenfassen. Während industrielle Aufgaben der Zustandsüberwachung und der Prozessautomatisierung heutzutage schon teilweise mit etablierten Standards wie Bluetooth, ZigBee, WiFi, WirelessHART, GSM, 3G, LTE, etc. umgesetzt werden können, ergibt sich bei den genannten neuen Anforderungsprofilen jenseits dieser Technologien dringender Forschungsbedarf für neue leistungsfähige und sichere Ansätze.

Im Fokus der Bekanntmachung stehen daher neuartige Funktechnologien mit folgenden Anforderungsprofilen:

  • Zum einen sollen Funktechnologien erforscht und entwickelt werden, die Ansprüchen an Übertragungen im Regelungsumfeld (closed-loop control) genügen. Die entsprechenden Anforderungen ergeben sich aus dem Äquivalent zu heutigen drahtgebundenen Lösungen. Um die Regelung komplexer Prozesse zu ermöglichen, muss eine extrem geringe Latenz (<1 ms Round Trip Delay) mit geringem Jitter (<20 µs) erreicht werden. Gleichzeitig ist eine hohe Zuverlässigkeit der Kommunikation (Paketfehlerwahrscheinlichkeit <10-9) bei gleichzeitig hoher Gerätedichte zu garantieren. Die notwendige Datenrate pro Gerät ist dabei eher gering.
  • Zum anderen sollen drahtlose Funktechnologien erforscht und entwickelt werden, die die Anforderungen, die sich aus Anwendungen für effiziente, haptische Mensch-Maschine-Schnittstellen zur Fernsteuerung oder „Augmented Reality“ Anwendungen ergeben, erfüllen. Hier muss eine extrem geringe Latenz bei sehr hoher Datenrate erreicht werden

Für alle zu erforschenden Funktechnologien ist die Sicherheit (Safety and Security) zu berücksichtigen und zu integrieren, da sich durch die Verwendung der Luftschnittstelle neue Angriffsmöglichkeiten ergeben. Weiterhin muss ein effizientes Koexistenz-Management vorgesehen werden. Dabei sind starke Störeinflüsse und schwierige Ausbreitungsbedingungen im industriellen Umfeld zu berücksichtigen. Die zu entwickelnden neuartigen Funktechnologien müssen zudem einfach einsetzbar sein, das heißt, dass die Installation und der Betrieb der drahtlosen Netzwerke im industriellen Umfeld möglichst per Plug & Play funktionieren bzw. eine Integrationsfähigkeit, z. B. durch Interoperabilität gegeben sein muss. Je nach Anwendung ist auf die Energieeffizienz und Lokalisierungsmöglichkeiten zu achten, um autarke und mobile Sensoren zu ermöglichen.

Die skizzierten Lösungen müssen in einen Anwendungsfall eingebettet sein und als Gesamtsystem inklusive aller kritischen Übertragungsstrecken, Schnittstellen und Verarbeitungseinheiten betrachtet werden. Dabei sind alle für das Gesamtsystem genannten Anforderungen zu erfüllen. Eine Übertragbarkeit der eingesetzten Funktechnologie auf andere Anwendungsfälle ist sicherzustellen.

Die skizzierten Lösungen müssen deutlich über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen.

Begleitforschung

Neben den Forschungsprojekten zu den genannten Schwerpunkten beabsichtigt das Bundesministerium für Bildung und Forschung, ein wissenschaftliches Begleitprojekt zu fördern.

Die Begleitforschung soll übergeordnete Fragestellungen zur drahtlosen Kommunikation in der Industrie bearbeiten. Dafür sollen die Einzelprojekte zusammengeführt, koordiniert und im Gesamtzusammenhang behandelt werden. Die Begleitforschung bringt einen Prozessvorschlag ein, wie und welche thematischen Aspekte im gegebenen Themenfeld der Bekanntmachung zu betrachten sind. Dazu gehören beispielsweise vorbereitende Maßnahmen zur Normierung und Standardisierung der neuartigen Funktechnologien, die Abstimmung und Offenlegung der Schnittstellen und die Sicherstellung der Interoperabilität der einzelnen Lösungen. Das wissenschaftliche Begleitprojekt muss geeignete Aktivitäten, wie z. B. gemeinsame Workshops für die Bearbeitung dieser Themen und zur Verbreitung der Forschungsergebnisse vorsehen.

Die Zusammenarbeit von Koordinatoren der einzelnen Projekte und der Begleitforschung ist verpflichtend für diese übergeordneten Fragestellungen. Die Koordinatoren werden in die Arbeit des Begleitprojektes in Form eines Beirats eingebunden. In den Arbeitsplänen aller Projekte sind entsprechende Ressourcen vorzusehen.

Weitere Informationen

Zur vollständigen Bekanntmachung beim BMBF