Interview: „Die Absicherung von Daten gegen den Zugriff Unbefugter ist von zentraler Bedeutung für die digitale Gesellschaft der Zukunft“

Ein Interview mit Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena, über Quantenkommunikation und ihre Relevanz für abhörsichere Kommunikation in der digitalen Zukunft.

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Im Interview: Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena© Fraunhofer IOF

Herr Professor Tünnermann, weshalb ist Sicherheit in der digitalen Welt ein derart wichtiges Thema?
Die Absicherung von Daten gegen den Zugriff Unbefugter ist von zentraler Bedeutung für die digitale Gesellschaft der Zukunft. Die Vertraulichkeit von Kommunikation ist einerseits ein Grundrecht mündiger Bürger und bildet andererseits die Arbeitsgrundlage innovativer Unternehmen. Sichere Kommunikation wird damit zum Garant einer freien Gesellschaft und zum Innovationsmotor im Zeitalter global konkurrierender Wirtschaftsräume.

Weshalb ist es wichtig, dass bestimmte Daten vertraulich bleiben?
Es gibt Daten, auf deren Vertraulichkeit die Gesellschaft sich langfristig verlassen können muss. Hierzu zählen beispielsweise persönliche Daten. Aber auch Steuerungssignale in kritischen Infrastrukturen oder Daten in Behördennetzen erfordern eine Absicherung gegen unbefugten Zugriff von außen. Nicht zuletzt funktioniert eine auf Innovation basierende und fortschrittliche Wirtschaft nur unter der Bedingung von Vertraulichkeit. Alleine die Möglichkeit des Mithörens kann zum Hemmnis in der Entwicklung werden.

Inwiefern betrifft das Thema abhörsichere Kommunikation jeden von uns?
Spätestens seit dem Fall Edward Snowden ist man sich bewusst, dass das Grundrecht auf Privatsphäre nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Lebensbereiche betrifft. Es muss unser aller Anliegen sein, die Freiheiten unserer Gesellschaften zu wahren, um die Demokratie und damit die Innovationskraft unserer Wirtschaft zu schützen.

Was macht Quantenkommunikation abhörsicher im Vergleich zu heute üblichen Verfahren? Ist sie der Heilbringer?
Die physikalischen Grundlagen für eine sichere Kommunikation unter Einsatz von Quantentechnologien sind an den wesentlichen Stellen bereits gelegt. Es fehlt aber gegenwertig noch an Konzepten und Hardware-Lösungen für den Multi-User-Betrieb und die Implementierung in reale Netzstrukturen. Doch rückblickend auf die Anfänge der klassischen Telekommunikation Ende des 19. Jahrhunderts zeigen die derzeitigen Ergebnisse aus der Forschung klar das Potential der neuen quantentechnologischen Verfahren. Bis zu einem flächendeckenden Einsatz ist es noch ein weiter Weg, auf dem auch alternative Ansätze wie die »Post-Quanten-Kryptografie« eine wichtige Rolle spielen werden. Es muss auch zugestanden werden, dass bereits der Mensch und sein Handeln an sich den absoluten Ausschluss von Datenmissbrauch unmöglich macht. Das Ziel sollte dennoch nicht aus den Augen verloren werden: Die Ermöglichung physikalisch sicherer und damit fundamental privater Datenübermittlung und Kommunikation.

Wieso ist es wichtig, dass wir als Bürgerinnen und Bürger von Deutschland und Europa diese Technologie in Zukunft nutzen können?
Viele Arten von Daten, wie beispielsweise Krankenakten sind hochsensibel. Der Zugriff Unbefugter bei der Übermittlung und Speicherung dieser Daten muss unterbunden werden. Quantentechnologien bieten hier einzigartige Möglichkeiten. Eine derartige Dateninfrastruktur hat auch die Chance auf ein weltweites Alleinstellungsmerkmal des europäischen Daten-, Wirtschafts- und Lebensraums. Die Realisierung dieser Vision bietet eine vielversprechende Alternative zu bereits bestehenden Ansätzen in anderen Teilen der Welt.

Wo setzt Ihr Projekt QuNET an?
Im Rahmen von QuNET werden anwendungsnahe Gesamtsysteme zur quanten-gesicherten Kommunikation betrachtet und unter realen Bedingungen erprobt. Dabei fließen Ergebnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen der quantentechnologischen Grundlagenforschung ein. Auch diverse Ergebnisse vorhergegangener und laufender Forschungsprojekte der vier beteiligten Institute werden berücksichtigt. Die in QuNET geplante Verknüpfung der vielfältigen Ansätze zur Übermittlung der Quantenschlüssel ist ein Garant für die zukünftige Relevanz der Forschung.

Wann sind erste Ergebnisse zu erwarten, die ich als Bürger wahrnehme?
Erste Anwendungsszenarien zeichnen sich bereits jetzt ab. So haben Banken beispielsweise ein Interesse daran, ihren Kunden eine erhöhte Sicherheit in der Übermittlung ihrer Daten anbieten zu können. Als Bürger kann man davon ausgehen, dass Bundesbehörden am Ende des Jahrzehnts über Hochsicherheitskanäle verfügen werden, um sensible Daten abhörsicher zu übermitteln. In QuNET sollen hierfür im Laufe der kommenden Jahre skalierbare Systeme entwickelt, untersucht und erprobt werden.

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