„Die Entwicklung eines Quantenrepeaters ist für Deutschland bedeutend für die Wahrung der technologischen Souveränität“

Prof. Dr. Christoph Becher, Fachrichtung Physik an der Universität des Saarlandes, ist seit Anfang Juni 2020 neuer Sprecher des Q.Link.X-Forschungsverbundes. Wir sprachen mit ihm über Vision und Mission seiner Forschungsarbeit.

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Der neue Sprecher des Forschungsverbunds Q.Link.X: Prof. Dr. Christoph Becher, Fachrichtung Physik an der Universität des Saarlandes.© Beate Wehrle, UdS

Aktuell werden in der digitalen Kommunikation Verschlüsselungsverfahren eingesetzt, deren Sicherheit weitestgehend auf der Leistungsfähigkeit heutiger Rechner beruht. Die neue Generation leistungsstärkerer Computer, wie beispielsweise ein Quantencomputer, könnten diese Verfahren unbrauchbar machen. Auch heute übertragene Daten könnten betroffen sein, wenn sie aufgezeichnet würden und mit künftigen Computergenerationen entschlüsselt werden könnten. Im Forschungsverbund Q.Link.X wird nach alternativen kryptographischen Verfahren und Kommunikationstechnologien aus dem Feld der Quantentechnologien geforscht. Im Zentrum: Quantenrepeater, die eine Signalübertragung über weit mehr als 100 Kilometer mit der verbreiteten Glasfasertechnologie möglich machen sollen. 

Herr Professor Becher, schon heute gibt es ausgeklügelte Methoden, um Kommunikation möglichst sicher zu machen. Weshalb brauchen wir überhaupt völlig neue Verfahren wie die Quantenkommunikation?
Klassische Kryptographie basiert auf einer algorithmischen Sicherheit, das heißt, aufgrund der eingesetzten mathematischen Verschlüsselungsverfahren ist es äußerst aufwändig, eine verschlüsselte Nachricht zu entschlüsseln. Allerdings existieren keine mathematischen Beweise für die Sicherheit und niemand kann heute sagen, ob in Zukunft nicht ein effizienter Algorithmus gefunden wird, mit dem die Entschlüsselung schnell durchgeführt werden kann. Die gegenwärtige Entwicklung von Quantencomputern wird zusätzlich eine Angriffsmöglichkeit auf die Sicherheit klassisch verschlüsselter Kommunikation eröffnen. Quantenkommunikation auf der anderen Seite ermöglicht eine physikalische Sicherheit, da Information in einzelnen Quantensystemen – also zum Beispiel einzelnen Lichtteilchen − codiert wird und nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht ohne Informationsverlust kopiert werden kann. Wir nennen dies das Kopierverbot – es schließt Lauschangriffe aus und ermöglicht beweisbar abhörsichere Kommunikation.

Wieso ist ein Quantenrepeater unter diesem Gesichtspunkt so bedeutend für Deutschland?
Die einfachste Kommunikationsstrecke, die man sich vorstellen kann, ist eine direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen zwei Kommunikationspartnern. Die heute bevorzugt eingesetzte Variante ist der Austausch von Daten durch optische Signale auf Glasfasern. Dabei ist die maximale Entfernung der Kommunikationspartner allerdings durch die Verluste in den Fasern begrenzt − selbst bei der optimalen Wellenlänge im Telekommunikationsfenster bleiben nach 100 Kilometern Faser nur ein Prozent des ursprünglichen Signals. Bei der klassischen Kommunikation müssen die Signale deshalb regelmäßig durch Verstärker, so genannte Repeater, „aufgefrischt“ werden. Quantensignale können aber aufgrund des Kopierverbots nicht verstärkt werden, so dass zwei Alternativen bleiben: Erstens: Die Aneinanderreihung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über Knoten. Dies hat jedoch den Nachteil, dass an jedem Knoten die Information wieder klassisch vorliegt und damit angreifbar ist; solche Knoten müssen deshalb gesichert werden („trusted nodes“). Zweitens: Große Entfernungen können durch einen Quantenrepeater überbrückt werden, der die Ressourcen für Quantenkommunikation, also Quantenzustände, an weit entfernte Kommunikationspartner verteilt. Die Entwicklung eines Quantenrepeaters ist für Deutschland bedeutend für die Wahrung der technologischen Souveränität.

Was fasziniert sie an der Forschung zu Quantenrepeatern? Was ist Ihre leitende Motivation?
Mich fasziniert, dass wir durch die Forschung in Q.Link.X zunehmend in der Lage sind, Konzepte der Quantenkommunikation, die bisher oft nur als Ideen auf dem Papier existierten, in die Realität umzusetzen. Das Schwierige daran ist, dass Quantenzustände wie Überlagerungen und verschränkte Zustände von atomaren Systemen und Lichtteilchen, die wir für die Kommunikation benötigen, auf der einen Seite äußerst fragil sind und vor Einflüssen der Umgebung geschützt werden müssen. Auf der anderen Seite müssen sie aber gerade eine Schnittstelle zur Außenwelt bilden. Dieser Spagat ist sehr herausfordernd, aber auch höchst motivierend.

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Forschende der Universität des Saarlandes justieren einen optischen Aufbau: ein Experiment zur Atom-Photon-Verschränkung im Rahmen von Q.Link.X.© Oliver Dietze, UdS

Sie übernehmen jetzt die Sprecherfunktion im Verbundprojekt Q.Link.X. Was haben Sie sich in diesem Amt vorgenommen?
Die Lücke zwischen dem, was wir im Labor demonstrieren können, und der Einbindung in reale Kommunikationsanwendungen in Glasfasernetzen, ist noch groß: Wir wollen in Q.Link.X zunächst zeigen, dass die grundlegenden Elemente eines Quantenrepeaters im Labormaßstab realisierbar sind – diese gleichzeitig aber auch an Faserteststrecken anschließen. Dabei wollen wir zeigen, dass sich perspektivisch ein Quantenvorteil erreichen lässt, das heißt eine Kommunikation mit geringeren Verlusten als bei der direkten Punkt-zu-Punkt-Kommunikation. Meine Aufgabe als Sprecher sehe ich in der Förderung der Integration der verschiedenen Ansätze: Wir arbeiten mit verschiedenen Hardwareplattformen mit je spezifischen Vor- und Nachteilen und können dabei eine Menge voneinander lernen, was unserem gemeinsamen Ziel zugutekommt.

Für das BMBF bildet die Quantenkommunikation seit über sechs Jahren einen wichtigen Förderschwerpunkt. Wenn Sie zurückblicken: Was halten Sie für bemerkenswert?
Für mich persönlich und für das Q.Link.X-Konsortium ist ein bedeutender Vorteil, dass das BMBF die Forschung an Quantenkommunikation und Quantenrepeatern über einen längeren Zeitraum kontinuierlich begleitet – wie etwa durch das Forschungsrahmenprogramm zur IT-Sicherheit „Selbstbestimmt und sicher in der digitalen Welt“. Diese kontinuierliche Unterstützung ermöglichte erst den Aufbau der Kompetenzen in den meist universitären Forschungsgruppen, das Entwickeln wissenschaftlicher und technischer Lösungen und das interdisziplinäre Arbeiten von Wissenschaftlern aus bis dahin recht stark abgegrenzten Bereichen von Atom-, Festkörper- und Halbleiterphysik, Quantenphysik und -optik sowie Informationstechnik. Die Lösung schwieriger Probleme wie die Umsetzung von Quantenkommunikation in reale Anwendungen erfordert einen langen Atem und wir sind dankbar für die weitsichtige, nachhaltige und international bewunderte Unterstützung auf diesem Weg.

Was sind bei Ihrer Arbeit nun die nächsten Schritte?
Aktuell arbeiten wir an sehr spannenden Experimenten an der Grenze des derzeit technisch Machbaren, um die elementaren Bausteine des Quantenrepeaters zu implementieren – auch international ein herausfordernder Wettlauf. In Zukunft müssen die einzelnen Bausteine dann hinsichtlich ihrer Effizienz und Güte verbessert, Quantenspeicher mit längerer Speicherzeit erforscht und die Kommunikation über parallele Kanäle getestet werden. Außerdem wollen wir die experimentellen Aufbauten soweit verkleinern, dass sie „mobil“ werden, damit sie in Faserstrecken „im Feld“ eingesetzt werden können.

Und noch ein Blick in die Zukunft: Was denken Sie, welche Rolle wird die Quantenkommunikation in zwanzig Jahren in unserem Alltag spielen?
Zukunftsprognosen sind notorisch undankbar, denn niemand kann Entwicklungssprünge und äußere Rahmenbedingungen vorhersagen oder gar planen. Wenn ich „groß denke“, dann erwarte ich, dass in zwanzig Jahren Bundesbehörden und europäische Einrichtungen sichere Quantenkommunikationsverbindungen nutzen werden; kritische Infrastruktur durch Quantenkommunikation geschützt wird; ebenso wird die Verschlüsselung empfindlicher Daten zum Beispiel im Zahlungsverkehr oder in elektronischen Patientenakten durch Quantentechnologie unterstützt.

Und welche Rolle sehen Sie in diesem Szenario für Deutschland und Europa?
Europa und Deutschland haben sehr gute Chancen auf eine Technologieführerschaft, wenn der erfolgreiche Weg der Forschungs- und Entwicklungsförderung weiter beschritten wird und die Industrie die Chancen der Quantenkommunikation erkennt und sich an der weiteren Entwicklung aktiv beteiligt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

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