Fachkreis Kommunikationstechnologien: Positionspapier zu technologischer Souveränität veröffentlicht

Im Positionspapier „Technologische Souveränität und die Rolle der Kommunikationssysteme in einer digitalisierten Gesellschaft“ analysiert der Fachkreis Kommunikationstechnologien die aktuelle Situation und zeigt Handlungsmöglichkeiten für Deutschland und Europa auf.

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Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft haben die aktuelle Situation auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie mit Blick auf technologische Souveränität analysiert. © jotily/iStock

Ob Mobilfunktechnologie, Glasfasernetze oder Satellitenkommunikation: Kommunikationstechnologien sind heute eine Grundvoraussetzung, um die Digitalisierung in Gesellschaft, Staat und Wirtschaft erfolgreich gestalten und Krisen wie die Corona-Pandemie überwinden zu können. Angesichts eines rasant wachsenden Internets der Dinge und der breiten Anwendung von Künstlicher Intelligenz wird der Bedarf an leistungsfähiger Vernetzungstechnologie in den nächsten Jahren weiterwachsen. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland und Europa auf diesem Feld systematisch technologische Souveränität sicherstellen. Nur so können auch in Zukunft leistungsfähige Kommunikationstechnologien für Bürgerinnen und Bürger, Institutionen und Unternehmen zu jeder Zeit verlässlich verfügbar sein.

Im nun erschienenen Positionspapier „Technologische Souveränität und die Rolle der Kommunikationssysteme in einer digitalisierten Gesellschaft“ untersuchen die Expertinnen und Experten des Fachkreises Kommunikationstechnologien, auf welchen Gebieten Deutschland und Europa insbesondere handeln müssen, um auch in Zukunft souverän agieren zu können. 

Zusammenfassung des Positionspapiers

Technologische Souveränität wird gemeinhin als die Fähigkeit eines Staates, einer Gesellschaft oder Volkswirtschaft verstanden, seine politischen oder gesellschaftlichen Prioritäten umsetzen zu können, ohne dabei durch die unzureichende oder fehlende Kontrolle über Technologien gehindert zu werden [VDE-ITG]. Technologische Souveränität erfordert nach allgemeinem Verständnis keine Autarkie, wohl aber ein Verständnis des gesamten Entwicklungsprozesses und zuverlässigen Zugang zu Produkten.

Besondere Bedeutung hat die Frage der technologischen Souveränität im Bereich der Kommunikationstechnologien. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie viele Dienste hiervon abhängig sind und wie wichtig diese für die Resilienz einer Gesellschaft sind: Homeschooling, Lieferdienste, berührungsloses Bezahlen und vor allem der unverzichtbare Kontakt zu Familie und Freunden wären ohne stabile Kommunikationsnetze unmöglich gewesen. Kommunikationsnetze sind aber weit darüber hinaus ein zentraler Innovationstreiber und wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung. Die Anwendungsfelder Industrie 4.0, mobile KI-Dienste und vernetztes Fahren, in Zukunft aber auch Tele- und Präzisionsmedizin sind Beispiele hierfür. Die Durchsetzung wesentlicher gesellschaftlicher Prioritäten wie Schutz der Privatsphäre und geistigen Eigentums, Versorgungssicherheit, gleichwertige Lebensbedingungen auch im ländlichen Raum und Digitalisierung als Beitrag zur Erreichung unserer klimapolitischen Ziele setzt Kontrolle über Kommunikationstechnologien voraus.

Die dargestellte zunehmende Bedeutung der Kommunikationstechnologien schlägt sich in einem zurzeit eskalierenden internationalen Wettlauf um Technologieteilhabe und -führerschaft nieder. Die stark wirtschaftsstrategisch getriebenen Open-RAN-Aktivitäten und das internationale Engagement im Bereich 6G – erstmals auch im Rahmen von US-Programmen – sind hierfür deutliche Indikatoren.

Aus technologischer Perspektive ist die Kommunikationstechnologie einerseits durch ein anspruchsvolles System-Knowhow geprägt, das vor allem in der Standardisierung benötigt wird. Andererseits gibt es eine enge Interaktion vieler Basistechnologien wie Mikroelektronik, Softwaretechnologien und in Zukunft auch Quantentechnologie, ohne deren Verständnis Kommunikationssysteme nicht souverän (weiter)entwickelt, aufgebaut, geprüft und betrieben werden können. In beiden Bereichen gibt es zurzeit ein schnell zunehmendes Innovationstempo.

Basierend auf dieser Situationsbeschreibung wird empfohlen, in regelmäßigen Reviews die technologische Souveränität Deutschlands in Bezug auf die Kommunikationstechnik zu analysieren und Handlungsbedarf zu identifizieren. Hierbei sollte die zentrale Rolle der Kommunikationstechnik für eine digitalisierte Gesellschaft und als Innovationsvoraussetzung in vielen wichtigen Branchen Berücksichtigung finden. Besondere Bedeutung kommt einer langfristig geplanten Kompetenz- und Fachkräfteentwicklung zu, was durch gemeinsame Forschungsprogramme von Forschung und Industrie sichergestellt werden kann. Die Standardisierung, in der wesentliche Systementscheidungen fallen, sollte eine deutlich größere Aufmerksamkeit finden. Neben einer systematischen Analyse neuer Trends in der internationalen Forschung und Standardisierung sowie neuer Bedarfe sollte eine quantitative Analyse der Position Deutschlands und Europas im diesbezüglichen internationalen Wettbewerb (Patente, Publikationen, Standardisierungsbeiträge) durchgeführt werden, um frühzeitig Handlungsbedarf zu erkennen.

  Weitere Impulspapiere

Fachkreis Kommunikationstechnologien

Die Expertinnen und Experten des Fachkreises Kommunikationstechnologien beraten das Referat „Vernetzung und Sicherheit digitaler Systeme“ im Bundesministerium und Bildung und Forschung in Fragen der Erforschung und künftigen Gestaltung von Kommunikationssystemen. Im Fachkreis kommen wissenschaftliche und wirtschaftliche Kompetenz zusammen.

Mitglieder des Fachkreises Kommunikationstechnologien sind:

  • Prof. Dr.-Ing. Hans D. Schotten (Hauptautor des Positionspapiers), Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Forschungsbereich Intelligente Netze; TU Kaiserslautern, Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation,
  • Prof. Dr.-Ing. Holger Boche, TU München, Lehrstuhl für theoretische Informationstechnik,
  • Dr. Jörg-Peter Elbers, ADVA Optical Networking SE, Advanced Technology, Standards & IPR
  • Prof. Dr. Anja Feldmann, Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken und TU Berlin, Fachgebiet Internet Network Architectures,
  • Prof. Dr.-Ing. Frank H. P. Fitzek, TU Dresden, Deutsche Telekom Professur für Telekommunikationsnetze,
  • Dr.-Ing. Andreas Müller, Robert Bosch GmbH, Communication und Network Technology,
  • Prof. Dr.-Ing. Slawomir Stanczak, Fraunhofer HHI, Drahtlose Kommunikation und Netze; TU Berlin, Fachgebiet Netzwerk-Informationstheorie,
  • Prof. Dr. Martina Zitterbart, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Forschungsbereich Telematik.