Mit KI Morphing entlarven: Forschung für sichere Gesichtserkennung

Digitale Systeme zur Identifikation von Menschen kommen immer stärker zum Einsatz – zum Beispiel bei Grenzkontrollen an Flughäfen. Um diese Systeme gegenüber Manipulationen wie sogenannten Morphs möglichst sicher zu machen, erforscht das vom BMBF geförderte Projekt ANANAS Lösungen mit Künstlicher Intelligenz (KI).

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Gesichtserkennungssysteme kommen mittlerweile an vielen Stellen zum Einsatz.© america_stock - stock.adobe.com

Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung prägen immer stärker unseren Alltag: zum Beispiel bei der Entsperrung von mobilen Geräten, aber auch bei Kontrollen an Flughäfen. Immer häufiger passieren Reisende dort automatische Grenzkontrollsysteme, sogenannte Automated Border Control (ABC) Gates. Passagiere scannen dort ihre Ausweisdokumente und werden währenddessen über eine automatisierte Gesichtserkennung verifiziert: Blickt die Person in die installierte Kamera, gleicht eine spezielle Software das erstellte elektronische Bild mit dem im elektronischen Pass hinterlegten Foto ab. So stellt das System fest, ob die individuellen biometrischen Merkmale der Gesichter hinreichend übereinstimmen.

Angriffsfalle Morphing: Kriminelle können Schwachstelle für Identitätsdiebstahl nutzen

Dieses Verfahren ist allerdings angreifbar, wie sich in der Praxis zeigt: Kriminelle sind in der Lage, Gesichtserkennungssysteme durch Bildmanipulation auszutricksen, sodass zwei Personen denselben Pass verwenden könnten. Das Verfahren ist bekannt als Morphing − das computergestützte Verschmelzen von Bildern mehrerer Personen. Am Ende weist ein gemorphtes Bild Ähnlichkeiten zu zwei oder mehreren Menschen auf. Um diesen Missbrauch zu verhindern, wird aktuell an vielen Stellen gefordert, ausschließlich zentrale zertifizierte Stellen wie Bürgerämter für die Ausstellung von Pass- und Ausweisfotos zuzulassen, um zu garantieren, dass Bild und Person wirklich zusammengehören.

Gleichzeitig arbeiten Forscherinnern und Forscher im Bereich der Sicherheitstechnologien daran, Verfahren zu entwickeln, die ein „Austricksen“ der Gesichtserkennung verhindern. Im BMBF-geförderten Projekt „Anomalie-Erkennung zur Verhinderung von Angriffen auf gesichtsbildbasierte Authentifikationssysteme“ (ANANAS) haben die beteiligten Partner simulierte Bilddaten analysiert und erforscht. Dabei kommen moderne Methoden der Bildanalyse zum Einsatz. Die Verfahren setzen auf maschinelles Lernen und sollen Bildanomalien erkennen, die während der digitalen Bildverarbeitung in Morphing-Prozessen auftreten. Partner im Forschungsverbund sind die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die Bundesdruckerei, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik sowie das mittelständische Unternehmen Dermalog Identification Systems. Wir sprachen mit den Expertinnen und Experten über ihren Forschungsschwerpunkt im Projekt.

„Methoden sind nicht ohne Weiteres übertragbar“

Dr.-Ing. Christian Krätzer forscht an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zu Morphing und arbeitet dort an der Evaluierung von Verfahren aus der Medienforensik und der Biometrie, mit dem Ziel, die Morphs in allen unterschiedlichen Szenarien und Einsatzstellen zu erkennen. Eine große Herausforderung: „Methoden, die zum Beispiel bei der Prüfung von Bildern bei einer Passbeantragung im Bürgeramt genutzt werden, sind nicht ohne Weiteres auch auf automatisierte Kontrollen wie an den ABC Gates am Flughafen übertragbar. Es greifen andere Ansprüche an die Qualität des Bildmaterials, die verfügbare Zeit und auch in Bezug auf tolerierbare Fehlerraten. Diesen unterschiedlichen Anforderungen wollen wir im Projekt gerecht werden.“

„Morphing ist nicht gleich Morphing“

Prof. Dr.-Ing. Peter Eisert leitet am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut die Abteilung „Vision & Imaging Technologies“. Mit seinem Forschungsteam untersucht und entwickelt er KI-gestützte Morphing-Erkennungsverfahren. Hierbei steht die Entwicklung von Detektoren auf Basis sehr spezieller neuronaler Netze im Fokus. „Wir sind dabei besonders interessiert an der Erklärbarkeit des Ergebnisses, der Erkennung auf semantischer Ebene und der Robustheit gegenüber unterschiedlichen Angriffsszenarien. Denn Morphing ist nicht gleich Morphing: Wir unterscheiden in die Kategorien klassische Morphs, Generative Adversarial Networks, Style-Transfer und Adversarial Attacks.“ Erklärungen zu diesen Begriffen: siehe Infobox rechts oben.

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Die Person in der Mitte existiert nicht: Das Bild ist ein über sogenannte Generative Adversarial Networks (GANs) synthetisch aus den rechts und links stehenden Bildern generierter Morph. © Morph: Fraunhofer HHI; Originalbilder: CC BY 4.0 aus Lisa DeBruine and Benedict Jones: Face Research Lab London Set, https://figshare.com/articles/Face_Research_Lab_London_Set/5047666; DOI=10.6084/m9.figshare.5047666.v3, 2017.

„Morphing-Detektoren besser für Angriffe wappnen!“

Lukasz Wandzik ist Wissenschaftler in der Abteilung „Maschinelles Sehen“ am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK. Mit seinem Team setzt er darauf, biometrische Merkmale zu nutzen, um Anomalien in Porträtbildern zu erkennen. Die Forschenden suchen dabei nach Bildartefakten wie zum Beispiel doppelten Konturen im Bereich von Augen und Lippen oder Verzerrungen der Gesichtsgeometrie. „Des Weiteren sind wir an der Frage der biometrischen Ähnlichkeit interessiert. Wann sind etwa zwei Gesichter oder Gesichtsbilder ein und derselben Person zuzuweisen? Wir erhoffen uns Erkenntnisse darüber, wo die Grenzen moderner neuronaler Netze liegen im Hinblick auf biometrische Ähnlichkeit. Dabei wollen wir zuverlässige Aussagen über die Entscheidungsunsicherheit der eingesetzten Algorithmen treffen mit dem Ziel, sowohl unsere Morphing-Detektoren als auch Gesichtserkennungssysteme besser für Angriffe zu wappnen. Dann kann gezielt in kritischen Fällen auf geschultes Personal oder manuelle Kontrolle zurückgegriffen werden.“

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Illustration eines Face-Morphing-Angriffs: links und rechts Originalbilder, Mitte: Morphing-Angriff.© Fraunhofer HHI

„Falscherkennung ist ein wichtiges Kriterium für Gesichtserkennungssysteme“

Dr.-Ing. Hermann Birkholz leitet die Abteilung „Biometrische Produkte“ bei Dermalog Identifications Systems. Das mittelständische Unternehmen entwickelt biometrische Geräte und Systeme in sicherheitssensitiven Bereichen. Zu den Produkten zählen auch automatische Grenzkontrollsysteme wie sie an Flughäfen eingesetzt werden. Dr. Birkholz hat im Rahmen des Forschungsprojekts besonders die praktische Anwendbarkeit im Blick: „Gerade die Zeit in der Schleuse sollte aus psychologischen Gründen so kurz wie möglich gehalten werden. Unser Ziel ist die sogenannte ‚Seamless Border‘, das heißt der Nutzer soll die Schleuse durchschreiten ohne anzuhalten. Sowohl Gesichts-, als auch Morphing-Erkennung müssen also in einem Zeitraum von ein bis zwei Sekunden abgeschlossen sein. Dabei kommt es darauf an, die Detektion von Morphing-Angriffen zeitlich transparent in den bekannten Ablauf zu integrieren. Eine Schlüsselfrage ist auch, wie häufig das System falschen Alarm schlägt. Denn die Falscherkennung unschuldiger Personen ist letztlich ein wichtiges Kriterium, das über die Nutzbarkeit des Systems entscheidet. Die Fallzahl fälschlich erkannter Morphs darf 1 von 10.000 Passagieren nicht überschreiten.“

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Passkontrolle an einem ABC Gate.© Dermalog Identification Systems

„Ein einzelner Detektionsansatz reicht nicht“

Prof. Dr.-Ing. Jana Dittmann von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist Koordinatorin im Projektkonsortium ANANAS. Sie ist sich sicher, dass die ambitionierten Ziele des Forschungsverbunds einen breiten Ansatz erfordern: „Unsere Forschung zeigt, dass aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Methoden, die bei der Morph-Erzeugung verwendet werden können, ein einzelner Detektionsansatz alleine nicht reicht, um Morphs hundertprozentig zuverlässig zu erkennen. Daher betrachten wir auch die Kombination oder Fusion von Detektoren und zugehörige Fragen zu Fehlern, Informationsverlusten und Unsicherheiten bei der Kombination von Entscheidungen. Die Relevanz dieser Fragestellungen zeigt auch die kürzlich erschienene Studie der US-amerikanischen FRVT-MORPH-Initiative des National Institute of Standards and Technology, die systematisch Morpherkennungssysteme auf deren Genauigkeit untersucht hat.“

Blick in die Zukunft: „Wir brauchen Tools, die Fälschungen an Bildern und an Videos erkennen“

Die Morphing-Forschung sieht sich rasantem technischen Fortschritt gegenüber, denn speziell für Morphings entwickelte neuronale Netze werden immer leistungsfähiger. Prof. Dr.-Ing. Peter Eisert vom Fraunhofer HHI ordnet ein: „Die Manipulation von Bildern, speziell auch von Gesichtsbildern, ist im Grunde bereits seit Längerem möglich und wir haben uns auch in gewissem Maße daran gewöhnt. So gesehen sind neuronale Netze, auch wenn sie erstaunliche Ergebnisse produzieren können, nur ein weiteres Werkzeug zur Bilderzeugung. Im Bereich Bewegtbild werden wir allerdings eine neue Qualität erreichen. Denn die Manipulation von Videos ist mit den klassischen Techniken wesentlich schwieriger als die von Bildern. Neuronale Netze können hier neue Maßstäbe setzen. Umso relevanter ist die Forschung auf diesem Feld, um mit technischen Lösungen Fälschungen oder Manipulationen nicht nur an Bildern sondern auch an Videos erkennen zu können. ANANAS liefert hier einen wichtigen Ansatz, um die Authentizität der Quelle überprüfen zu können.“

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