Drei Tage 5G Fachtagung „Future Industrial Communication“ in Berlin: 170 Teilnehmende, 26 Keynotes aus Industrie und Forschung, zwölf Demonstratoren, 16 Experteninterviews.
Führende Forschungsinstitutionen und Industrieunternehmen im Bereich 5G trafen sich vom 11. bis 13. September 2018 zum interdisziplinären Informationsaustausch in Berlin. Die Teilnehmenden der Fachtagung „Future Industrial Communication“ ziehen ein positives Fazit: Deutschland bewegt sich mit der Fokussierung der 5G-Forschung und -Entwicklung auf die industrielle Anwendung in der „Königsklasse“ der 5G-Umsetzung und ist damit gut aufgestellt für die neuen komplexen Netzanforderungen künftiger industrieller Kommunikation. Die Basis für Industrie 4.0 ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen durch eine anwendungsgerechte Vernetzung der an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen. Die 5G-Forschung kann hier viel leisten: Beispielsweise indem sie Hightechlösungen für diese intelligente Vernetzung entwickelt. Ebenso kommt es darauf an, Netzwerkarchitekturen neu zu dimensionieren.
Die Gastgeber der Jahrestagung Dr. Gunnar Schomaker (vom Konsortialführer SICP – Software Innovation Campus Paderborn an der Universität Paderborn) und Dr. Lutz Stobbe (vom Fraunhofer IZM) von der Begleitforschung „Innovationsplattform für 5G: Industrielles Internet – IP45G“ hatten die Jahrestagung unter das Motto „Industrie & Kommunikation – was wir gestalten“ gestellt.
Es war bereits die 2. Jahrestagung der BMBF-Forschungsinitiativen 5G aus dem BMBF-Programm „IKT 2020 – Forschung für Innovation“ (mit den Forschungsschwerpunkten „Zuverlässige drahtlose Kommunikation in der Industrie“, „5G: Industrielles Internet“ und „5G-Anwendungen“). Zur Konferenz illustrieren Service Provider, Systemausrüster und Anwender aus der Industrie die Relevanz von 5G für die industrielle Kommunikation in ihren Branchen.
Die Forschungsinitiative „Industrielle Kommunikation der Zukunft“ ist mit 19 Verbundprojekten, 25 Großunternehmen, 33 kleineren und mittleren Unternehmen, 15 Universitäten und neun universitären Forschungseinrichtungen ein Flaggschiff des Bundesforschungsministeriums. In ihrer Begrüßungsrede betonte Dr. Heike Prasse, Leiterin des Referats für Kommunikationssysteme und IT-Sicherheit im Bundesministerium für Bildung und Forschung, dass Deutschland die erste Adresse für 5G werden muss, „denn sonst verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit.“ Im Koalitionsvertrag habe sich die Bundesregierung deshalb ein klares Ziel gesetzt: „Wir entwickeln Deutschland zu einem Leitmarkt für 5G.“ Das könne nur gelingen, wenn es eine gezielte und koordinierte Forschung gibt, Forschungsprojekte konkrete Anwendungsszenarien entwickeln, die Experten aus Industrie und Forschung einen intensiven Austausch pflegen und kooperieren. „Forschung muss in der Praxis ankommen – und dafür brauchen wir Sie. Bringen Sie Ihre Forschungsergebnisse schnell in die Anwendung“ – lautete Dr. Prasses Appell an die Anwesenden.
Diesen Aspekt griff Dr. Andreas Müller, Head of Communication and Network Technology bei der Robert Bosch GmbH, auf. Er ist Vorsitzender der „5G Alliance for Connected Industries and Automation“ (5G-ACIA), die im April 2018 vom Zentralverband der Elektronikindustrie (ZVEI) gegründet wurde. Die neue Arbeitsgemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, 5G erfolgreich in der industriellen Produktion zu etablieren und von vornherein industriefähig zu gestalten. „In der 5G-ACIA bringen wir erstmalig alle wichtigen Akteure weltweit zusammen. Dadurch sind wir in der Lage, konzertiert und zielgerichtet daran zu arbeiten, dass die Belange der Industrie entsprechend berücksichtigt werden.“
Am Nachmittag standen konkrete Anwendungsbeispiele und Use Cases aus den Projekten im Mittelpunkt der Diskussion. Themen waren funktionale und nicht-funktionale Anforderungen, Standardisierung und Regulierung sowie 5G-Roadmaps und Testbeds. In der konferenz-begleitenden permanenten Ausstellung wurden Ergebnisse und Demonstratoren aus den Projekten präsentiert.
Resümee des ersten Tages: Der intensive Austausch zwischen Forschung und Industrie ist entscheidend für die erfolgreiche Implementierung von 5G-Technologien in industriellen Anwendungen. Deutschland ist stark in den Bereichen Automatisierung und Automotive, genießt weltweit höchstes Vertrauen in Technologiefragen und muss die bestehenden Chancen nutzen – dann wird es in fünf Jahren im industriellen Kontext Vorreiter für 5G sein, da waren sich die Anwesenden bei einer spontanen Befragung der Moderatorin Ina Karabasz (Handelsblatt) im Plenum einig. Die Themen „Testing“ und „Security“ sind für eine erfolgreiche Implementierung von 5G im Umfeld Industrie 4.0 von hoher Bedeutung – auch wenn sich viele mehr Risikobereitschaft in den Projekten wünschen. Der Fachkräftemangel und auch die erschwerten Bedingungen für Start-ups (Stichwort Eigenkapital) stellen Forschung und Industrie gleichermaßen vor Herausforderungen.
Beim zweiten Tag luden die Forschungsinitiativen zu einem eintägigen internationalen „5G Research Perspectives“-Event ein. Experten aus dem In- und Ausland stellten den Stand der Technik und verschiedene Anwenderszenarien aus ihren Branchen vor. Stichworte waren hier unter anderem „5G Readiness Levels“, die Evolution von 5G und die Umsetzung taktiler Anforderungen. Ein Höhepunkt des zweiten Tages war die Keynote „A 5G Review and Outlook of Open Challenges for 6G“ von Prof. Dr. Gerhard Fettweis, Lehrstuhlinhaber des Vodafone Stiftungslehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme am Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Dresden. Prof. Fettweis betrachtet 5G als „Lernobjekt für 6G“, um die Herausforderungen, die bei 5G liegengelassen worden sind, bei 6G zu adressieren. Er sieht mit 5G den Start in das Taktile Internet, in eine Infrastruktur, mit der ferngesteuert werden kann. Das wird auch gelingen, aber ähnlich wie beim Wechsel von 3G zu 4G diene 5G der Forschung dazu, die eigentlichen Anforderungen zu definieren. Er empfiehlt der anwendungsorientierten Forschung schnellstmöglich Campusnetze zu implementieren, die sich nicht mit Nachbarnetzen stören, um schnellstmöglich für 6G lernen zu können.
Der dritte Tag diente dem internen Austausch der Projektpartner der BMBF-Forschungsinitiative „Industrielle Kommunikation der Zukunft“ mit den zwei Forschungsschwerpunkten „5G: Industrielles Internet“ und „5G: Taktiles Internet“. Nach Impulsen aus den Projekten am Morgen, wurde nachmittags aktiv an den Themen „Anforderungen, Sicherheit und Architektur“ gearbeitet.