Copernicus-Preisträger Sebastian Faust im Interview: „Wir entwickeln einen Turbo für die Blockchain“

Der Informatikprofessor Sebastian Faust von der Technischen Universität (TU) Darmstadt erhält gemeinsam mit seinem polnischen Forschungspartner Professor Stefan Dziembowski von der Universität Warschau den mit 200.000 Euro dotierten Copernicus-Preis 2020.

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Ausgezeichnet für seine herausragende Forschung: Professor Sebastian Faust von der TU Darmstadt.© TU Darmstadt / Katrin Binner

Mit der Auszeichnung würdigen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Stiftung für die polnische Wissenschaft die Arbeiten der beiden Forscher auf dem Gebiet der IT-Sicherheit und Kryptografie sowie deren Verdienste um die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Forschung sind Blockchain-Technologien.

Im Interview erklärt Professor Sebastian Faust, welche Potenziale diese bieten, an welchen Projekten er gerade arbeitet und weshalb grenzüberschreitende Zusammenarbeit gerade auf dem Gebiet der IT-Sicherheit so wichtig ist.

 

 

Herr Professor Faust, gemeinsam mit Ihrem polnischen Kollegen Stefan Dziembowski wurden Sie jüngst mit Copernicus Preis 2020 geehrt. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Der Copernicus-Preis wird nur alle zwei Jahre disziplinübergreifend vergeben, und daher fühlen wir uns natürlich ganz besonders geehrt. Der Preis kommt auch mit einer gemeinsamen Förderung, womit wir in Zukunft die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen im Bereich der IT-Sicherheitsforschung weiter ausbauen wollen. Zum Beispiel denken wir derzeit über ein gemeinsames Format der Doktorandenausbildung nach.

Weshalb ist die europäische Zusammenarbeit gerade in der IT-Sicherheit so wichtig?
Teamarbeit ist in der IT-Sicherheitsforschung immer von großem Vorteil. Wenn ein neues IT-Sicherheitssystem entwickelt wird, dann muss es auf seine Sicherheit hin überprüft werden. Je mehr Experten versuchen, Schwachstellen im System zu finden und dabei scheitern, desto größeres Vertrauen können wir in seine Sicherheit haben.

Nicht viele Menschen denken zuerst an Polen, wenn es um exzellente IT-Sicherheitsforschung geht. Weshalb ist die Zusammenarbeit mit Ihrem polnischen Kollegen so fruchtbar?
Herr Dziembowski und ich haben sehr ähnliche Forschungsinteressen und aus der langjährigen Zusammenarbeit ist mittlerweile eine sehr gute Freundschaft entstanden. Wenn wir uns treffen, dann unternehmen wir auch privat etwas zusammen, wobei dann häufig die besten Ideen für neue Forschungsprojekte entstehen.

Grund für die Auszeichnung war auch die Forschung, die Sie im StartUpSecure-Projekt ProChain leisten. Was möchten Sie in diesem Projekt erreichen?
Blockchain-Anwendungen bieten zwar hohe Sicherheit, sie sind aber in der Regel nicht sonderlich effizient. Im Projekt ProChain versuchen wir dieses Problem zu lösen, indem wir sozusagen einen „Turbo“ für die Blockchain entwickeln. Die Ideen sind in den letzten Jahren aus einer gemeinsamen Arbeit mit Herrn Dziembowski entstanden und sollen nun im Rahmen von ProChain in die breite Anwendung geführt werden.

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Im Projekt ProChain entwickelt Professor Sebastian Faust und sein Team sichere, leistungsstarke Blockchain-Systeme, die im Vergleich zu heutigen Systemen mehr Transaktionen verarbeiten können.© TU Darmstadt

Mit welchen Forschungsthemen beschäftigen Sie sich darüber hinaus aktuell?
Beim praktischen Einsatz von Verschlüsselungsverfahren können Angreifer häufig sehr unerwartete Schwachstellen ausnutzen. Ein Beispiel dafür sind sogenannte Seitenkanalangriffe, wo ein Angreifer den Stromverbrauch einer Chipkarte misst, um die dort eingesetzte Verschlüsselung zu brechen. In unserer Forschung versuchen wir Gegenmaßnahmen für solche und ähnliche physikalische Angriffe zu entwickeln.

Noch scheinen sich Blockchain-Lösungen nicht in der Breite durchzusetzen. Welche Zukunft prophezeien Sie der Technologie?
Die Technologie steckt aktuell noch in den Kinderschuhen, hat aber mittelfristig großes Potenzial für die IT-Sicherheit. Wie beispielsweise die Kryptowährung Bitcoin zeigt, ist es trotz großer finanzieller Anreize sehr schwer, ein dezentrales System erfolgreich anzugreifen. In Zukunft werden wir daher sicherlich mehr Systeme sehen, die ähnlich wie Bitcoin einen dezentralen Sicherheitsansatz verfolgen.

Auf welchen Feldern haben Blockchain-Ansätze Ihrer Meinung nach das größte Potenzial?
Ein wesentliches Problem von Bitcoin und anderen Blockchain-basierten Kryptowährungen ist, dass sie großen Kursschwankungen unterliegen. Sobald wir zentralbankbasierte digitale Währungen haben, können Blockchain-Lösungen auch in der Breite in der Industrie eingesetzt werden. Damit sind dann viele der Technologien wie zum Beispiel Smart Contracts, die derzeit noch im Kleinen erprobt werden, auch in echten Anwendungen einsetzbar.

Wenn Sie zehn Jahre vorausschauen, wo wird uns Blockchain-Technologie dann begegnen?
Es ist natürlich schwer vorherzusagen, was in zehn Jahren passiert. Ein sehr interessanter Bereich, mit dem wir uns aktuell in der Forschung intensiv beschäftigen, sind die genannten „Smart Contracts“. Damit können Zahlungen an die Ausführung eines Programms geknüpft werden. In Zukunft könnten solche programmgesteuerten Zahlungen dann unter anderem in der Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation – etwa in intelligenten Fabriken − zum Einsatz kommen. Genau diesen Anwendungsfall sehen wir uns im Projekt iBlockchain genauer an.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.